
Zumindest bei der Überschrift hab ich meine Hausaufgaben gemacht.
Sonst war mein Schulfrazösisch alles andere als erfolgreich. Wer konnte auch vor 40 Jahren ahnen, diese romanische Sprache wirklich einmal gebrauchen zu können? Mit meinem Bruder auf dem Platz neben mir, frankophile Vokabeln um die geschundenen Ohren geschlagen zu bekommen, ist eine Zeitreise in eine längst vergessene Welt. Nun ja, der Bruder sitzt, wie damals auf der Schulbank, jetzt wieder neben mir, aber wir fahren 1111 nervtötende Kilometer nach Süden, in die schweizer Berge. Was soll man auch sonst mit der saisonalbedingt üppigen Tagesfreizeit anfangen? Früher, war es die sächsische oder märkische Schweiz, von der so viele Dauereingesperrte träumten. Aber, da dort heute überwiegend dem Rechtsradikalismus an der Wahlurne der Steigbügel gehalten wird, fahr ich da nicht hin. Heute gilt es, der eidgenössischen Gemeinschaft eine Aufwartung zu machen. Es wartet ein winterliches Panorama - für die einheitsbreigrau gewöhnte berliner Seele, ein Grand Ouvert (ohne Zwei - die beiden älteren Geschwister fehlen- spielt Drei). Das geht streng genommen natürlich nicht, weil ein solches Spiel, Schneider schwarz gewonnen werden muss. Das führt jetzt aber zu weit und ist eigentlich für den Augenblick total egal. Mit anderen Worten, Jungs sind Trumpf. Das ist auch eine Hommage an meine frühere Jugend. Spielte ich damals doch durch permanente Übung, ein ganz passablen Skat. Im normalen Leben ist Trump(f) nicht tonangebend, zumindest nicht in meinem Mitteleuropa. Und auch die Schweiz ist Mitteleuropa, geographisch, emotional und politisch, das vergessen die linksversifften EU-verseuchten Gutbürger (wie ich) oftmals! Und das ist gut so (geklaut oder nicht)! Die atemberaubenden grandiosen Bergkulissen lassen sowieso normale Abläufe zeitweise ehrfürchtig in den Hintergrund treten.
Bei unseren bescheidenen Reiseaktivitäten handelt es sich nicht nur um eine Jux und Dallerei Reise, sondern um eine Mission zeitweiser Familienzusammenführung. Verwandte aus quer durch Europa- Zweiten, Dritten und Egalgrades mehrerer Generationen schließen sich, bisher leider nur flüchtig miteinander bekannt, warm und sehr herzlich in die Arme.

Das hätte man schon viel früher und viel öfter tun sollen, aber irgendwas ist schließlich immer dazwischen gekommen. Die Zeit- und Möglichkeitsachsen im Koordinatensystem des Lebens haben auf wundersame Weise den Schnittpunkt-auf jetzt-festgelegt. Und so genießen wir ohne es zu hinterfragen, nicht nur das winterliche Bergpanorama oder die Schweizer Schokolade, sondern vornehmlich familiäre Geborgenheit, Anekdoten über Vorväter aller Geschlechter, Erinnerungen an Großeltern Tanten oder Onkels sowie berichten uns gegenseitig von den Sorgen der und mit jeweiligen Nachkommen, inmitten noch nicht ganz vertrauter Menschen. Verständigt wird sich im babylonischen Sprachgewirr vorzugsweise auf Bählerisch, es wird heftig parliert mit einer Mixtur aus Mimik, Gestik, deutsch-schweizerdeutsch-englisch-französisch-Esperanto Wortfetzen! Erstaunlich, wie gut das klappt. Ich habe das wunderbare Gefühl, ein Weltbürger zu sein. Rätoromanisch konnte Gottseidank vermieden werden!
Skigefahren wird auch noch.

Und das Matterhorn zum greifen nahe, ist ja wohl die Spitze des Eisbergs. Der Skibetrieb soll hier soweit oben, das ganze Jahr über möglich sein. Inflation der Möglichkeiten. Mit unwiderstehlichen Hüftschwüngen wedel ich, gelenkig wie eine Brechstange, vom Gipfel des Genusses herunter. Unwiederbringliche Stunden fräsen sich nicht nur in die frisch präparierten Pisten ein, sondern auch auf die eigene im Hirn befindliche nicht mehr ganz so frische Festplatte und werden Teil des persönlichen Genpools.
Wenn ich wieder in die Realität zurück muss, werde ich sehr lange weinen. Aber es muss sein. Nach gelassenen und rundum gelungenen Tagen mit Kaiserwetter im rund der erweiterten Familie und mindestens bis zu den Köcheln im kalten Weiẞ versunkenen, lösen wir uns in Richtung Alltag auf.
Aus Sebastian wird Schneebastian
Zumindest teilweise. Das Brüderchen ist mit Umwegen in irgendeine deutsche Hauptstadt mit sechs Buchstaben unterwegs und ich, grade auf den Geschmack gekommen, dreh noch 'ne alpine Skirunde in wenn auch, österreichischer Bergkulisse. Winter ist schließlich nur einmal im Jahr!
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